Die Situation in den USA
Seit Jahren wächst der Marktanteil der unabhängigen Vermögensverwalter in den USA kontinuierlich, während der Marktanteil der Großbanken im Wertpapiergeschäft wie Morgan Stanley, Merrill Lynch und UBS (sogenannte Wirehouses) im Gegenzug sinkt. Es gibt drei hauptsächliche Gründe für diesen Trend:
- Regulatorik: Die regulatorischen Anforderungen steigen und somit erhöhen sich die notwendigen Investitionen in Technologie und Infrastruktur.
- Honorar: Das provisionsfreie Wertpapiergeschäft gewinnt zunehmend an Bedeutung, was den Preisvergleich für die Kunden transparenter macht und die Nachfrage nach unabhängiger Beratung ansteigen lässt.
- Nachfolge: Wertpapierberater suchen passende Nachfolgeregelungen, woraus eine steigende Anzahl an Fusionen und Übernahmen resultiert.
Diese Entwicklungen haben als Konsequenz, dass Economies of Scale eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Früher waren die Großbanken als einzige in der Lage, die erforderliche Größenordnung und Technologie darzustellen. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Das Dienstleistungsangebot für Berater und Beraterteams seitens Depotbanken wie Charles Schwab, Vanguard und Fidelity sowie seitens Softwareanbietern wie Envestnet ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. In der Folge stellen diese heute oft das technologisch modernere und effizientere Angebot für Wertpapierberater dar.
Die Situation in Deutschland
Die Entwicklungen in Deutschland sind jenen in den USA durchaus ähnlich. Regulierung, provisionsfreie Vermögensverwaltung und Digitalisierung sind längst Haushaltsbegriffe in der Branche. Zudem entsteht gerade ebenfalls ein Trend zur Konzentration und Skalenvergrößerung, sei es durch Kooperationen mit Plattformen oder durch Übernahmen. Auch in Deutschland sind Vermögensverwalter-Plattformen, Anbieter von Dienstleistungen und Software den alteingesessenen Großbanken in Funktionen und Effizienz oft um einiges voraus.
Die Breakaway Brokers
Wenn ein Wertpapier-Banker sich von der Großbank lossagt und in die Unabhängigkeit geht, spricht man in den USA von einem Breakaway Broker, einem Broker, der die Freiheit wählt. Wird es auch in Deutschland einen Breakaway-Trend unter den Private Bankern geben? Auch wenn einige in der Branche - meiner Person inklusive - schon seit mehreren Jahren ein Breakaway der Private Banker hin zu unabhängigen Vermögensverwaltern prophezeien, ist diese Entwicklung zwar grundsätzlich vorhanden, jedoch im Verhältnis zum Umfang der Gesamtbranche noch zu klein, um von einem Trend zu sprechen.
Viele Banker sind trotz der desaströsen finanziellen Ergebnisse und der fehlenden strategischen Innovation der Großbanken der Meinung, dass sie weiterhin einem Winning Team angehören. Sie halten sich an der Hoffnung einer Revitalisierung ihrer Bank fest und handeln nach der Maxime Never Change A Winning Team.
The Winning Team
Die eigentliche Frage ist aber, ob die Banken den Private Bankern eine erfolgreiche Zukunft bieten können, in der sie tatsächlich nachhaltig die Interessen ihrer Mandanten vertreten können. Oder werden die meisten Banken ihr Mantra der Vertriebspolitik weiter auf die Spitze treiben? Je transparenter die Branche wird - und hierzu werden auch Robo-Advisors ihren Beitrag liefern -, umso mehr wird den Mandanten klar, welchen Mehrwert sie bei welchem Anbieter erhalten. Jene Anbieter, die dem Berater eine wahrhafte Unabhängigkeit, Transparenz, Effizienz und Digitalisierung ermöglichen, werden die zukünftigen Gewinner sein.
Und heute ist bereits offensichtlich, dass die deutschen Großbanken - ähnlich wie in den USA - nicht Vorreiter dieser Entwicklung sein werden. In der Folge könnte sich das geschäftliche Eigeninteresse der Private Banker verschieben, weg von Never Change A Winning Team hin zu Join The Winning Team. Deutschland würde daraufhin auch einen Trend der Breakaway Brokers hin zu den unabhängigen Vermögensverwaltern erleben.