Frankfurter KI-Boutique: „Die KI wird nicht zum Selbstzweck genutzt“
Die Künstliche Intelligenz erlebt derzeit einen Boom – wird die KI Portfoliomanager jedoch in Zukunft ersetzen und werden alle Portfolios gleich gesteuert sein? Pablo Hess und Michael Günther, KI-Entwickler und Portfoliomanager von Tungsten TRYCON, erklären, wie sie KI einsetzen und welches Potenzial sie in der Technik sehen.
Eneida Beshaj · 10/11/2023

Die Künstliche Intelligenz erlebt derzeit einen Aufschwung, und Programme wie ChatGPT oder Adobe Firefly sind schon seit einiger Zeit in aller Munde. Glauben Sie, dass KI die Portfoliomanager in Zukunft vollständig ersetzen wird?

Michael Günther: In vielen Branchen – von der Telekommunikation, dem Automobilsektor und Maschinenbau bis zur Medizin – hat die Nutzung von KI bereits Einzug gehalten. Meist geht es dabei um Effizienzsteigerungen.

Pablo Hess: Die KI kann jedoch wesentlich mehr. Das Potenzial für den Einsatz im Fondsmanagement erstreckt sich neben Effizienzsteigerungen auch auf die Analyse von Daten, die Berechnung der Wahrscheinlichkeit von Marktbewegungen und auf Handelssignale.

Wie integrieren Sie KI in Ihrem Tungsten TRYCON AI Global Markets Fonds?

Hess: Die KI-Modelle werten täglich eine siebenstellige Zahl von Preisdaten aus. Als Ergebnis erhalten wir dynamische Handelssignale, also Empfehlungen, bestimmte Positionen auf- oder abzubauen und so das Potenzial von Long und Short Positionen zu nutzen. Dies deckt Handelsgelegenheiten in 60 unterschiedlichen Märkten und Indizes ab, die ungefähr 4.000 globale Einzeltitel umfassen.

Welche Stärken bietet die KI und welchen Mehrwert bringt sie im Vergleich zu traditionellen Portfoliomanagern? Wie wird sie eingesetzt?

Günther: Im Unterschied zu älteren Momentum- oder Trendfolgemodellen können KI-Ansätze sicherlich eine tiefere Marktdurchdringung durch komplexe Berechnungen auf großen Datenmengen erreichen.

Hess: Dies erfolgt nicht zum Selbstzweck, sondern mit einem klaren Ziel: Wir wollen Anlegern eine Alternative bieten, die – egal ob die Börsen steigen oder fallen – gänzlich anders ist als Aktien oder Anleihen. Dieser Wertbeitrag ist quantifizierbar: Die Korrelation mit globalen Aktientiteln sowie mit deutschen Staatsanleihen, Gold und Rohstoffen liegt nachweislich nahe null. Damit sehen wir uns vor allem als fortschrittliche Ergänzung für klassische Portfolios und Investitionsstrategien.

Wie hat sich der Einsatz von KI in den vergangenen Jahren entwickelt, insbesondere im Zusammenhang mit dem aktuellen Boom in diesem Jahr? Welche Entwicklungen und Veränderungen erwarten Sie in der Fondsbranche aufgrund weiterer technologischer Fortschritte?

Günther: In den vergangenen Jahren haben wir vor allem eine Zunahme von Themenfonds gesehen, die in Hersteller und Anwender von KI und Robotik investieren. KI-basierte Handelsstrategien, also solche, die maschinelle Intelligenz zur Mitsteuerung oder Steuerung von Investments nutzen, sind hingegen aufwändiger. Hier sind bisher nur circa ein Dutzend Anbieter in Deutschland aktiv und sicherlich haben wir mit unserem zehnjährigen Track Record eine gewisse Vorreiterrolle. Die Verwendung wird branchenweit in den kommenden Jahren ohne Zweifel deutlich zunehmen, jedoch ist dies kein „Plug & Play“. Es erfordert viel Erfahrung und Expertise in der Entwicklung von KI-Modellen und Datenhandling.

Hess: Die Unternehmensberatung PWC erwartet für Europa ein KI-getriebenes Wachstum von neun bis zwölf Prozent zum BIP bis zum Jahr 2030. Sicherlich gehören wir mit unserem Fonds zu den in der Praxis bewährten Beispielen die zeigen, dass die Integration moderner Technologien und die Innovation auch am Finanzplatz Deutschland stattfinden können. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln rechnet vor, dass KI zur Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft bald 330 Milliarden Euro beitragen könnte. Das deutsche Forschungsministerium will die öffentlichen Ausgaben für KI in diesem Jahr auf fast 500 Millionen Euro erhöhen. Zusätzlich sollen 150 KI-Professuren geschaffen werden. Es tut sich also etwas.

Wenn in Zukunft alle Fonds von KI gesteuert werden, werden dann nicht alle Entscheidungen gleich sein? Wie werden sich die Portfolios voneinander unterscheiden?

Hess: Wenn mehr Anbieter zum Einsatz von KI übergehen, muss dies nicht zwangsläufig zu identischen Ergebnissen führen. KI-Modelle können sich auf vielfältige Weise unterscheiden – beispielsweise schon bei der Zielsetzung oder dahingehend, welche Datengrundlagen verwendet werden …

Günther: … und ebenfalls mit Blick auf die Schwerpunkte beziehungsweise Vorteile, die der Fondsanbieter aus dem Einsatz der Algorithmen ziehen will. Im Fall des TRYCON-Fonds liegt der Schwerpunkt auf Effekten für das Rendite-Risiko-Profil sowie die Widerstandsfähigkeit und Diversifikation von Zielportfolios. Der Anteil der KI am Investmentprozess hat insofern verschiedene Facetten.

Geben Sie der KI – auch aus regulatorischen Gesichtspunkten – einen Rahmen vor?

Hess: Die KI kann sich nur innerhalb einer Risikostruktur bewegen, die wir vorgeben. Jeder einzelne Anlagevorschlag der KI wird zudem von uns geprüft und freigegeben. Das letztendliche Controlling und Risikomanagement bleiben also in menschlicher Hand. Wir haben drei KI-Modellfamilien im Einsatz, die wiederum untereinander kaum korreliert sind. Damit verfügen wir täglich über unabhängige Einschätzungen zu verschiedenen Assetklassen. Dies hat uns befähigt, auch in fallenden Märkten – etwa Ausbruch der Coronapandemie oder Beginn des Krieges in der Ukraine – positive Renditen für den Fonds zu erwirtschaften. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren rund 50.000 Börsentransaktionen mit dem KI-Modell getätigt.

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